Freitag, September 09, 2005

Kein Anschluss unter dieser Nummer

Ich drücke die Halfzware in den Aschenbecher und brau mir erneut nen Espresso. Ein mitleidiges Lächeln als Gruß an meinen Magen, zu mehr bin ich kaum in der Lage an diesem Tag. Ein Tag, der dir beim ersten Augenaufschlag schon ins Gesicht grinst:" Bleib einfach liegen, alter. Das heute wird echt scheisse!" Anyway - ich spüle mir den Rest der Nacht mit dem heiss-braunen Gebräu aus dem Mund und nehme, was kommt. Auf dem Tisch stapeln sich Mahnungen, und ich komplettiere meine allmorgendlichen Auftritt mit einem Kopfschütteln. Gerade will ich ins Bad, um wenigstens den äußerlichen Verfall abzuwenden, da klingelt das Telefon:
„Guten Tag, spreche ich mit Herrn A...?“ säuselt mir eine geschulte Stimme entgegen, die in mir sofort dieses Unbehagen hervorruft, das man hat, wenn man mit ner wirklich miesen Durchfallerkrankung in nem vollen Zugabteil Platz nehmen muss.. Call-Center-Alarm!!!!
“Ja,..” breche ich heraus, und noch ehe sie eine Chance hat, mich mit ihren Verkaufsplatitüden zuzutexten, jodele ich: “...,danke, ich habe KEIN Interesse", und lege auf.
Es gibt wohl kaum etwas, was mich zwischen all den Realitysoaps, SMS Werbetrailern und Schmalspur-TV-Shows mehr abturnt als diese Hühner aus den Großraumbüro-Lege-Batterien, die dir am Telefon deine Zeit stehlen und versuchen, dir binnen zwölfeinhalb Sekunden einen vermeintlichen Lottogewinn aufs Auge zu drücken. Natürlich nur, wenn sie noch Zeit haben, das Kleingedruckte zu stottern, damit du ein beschissenes Los kaufst. Auch wenn Mrs. Headset gerade nur ihren zweifelhaften Job macht, der ihr ohne Frage gegönnt sei in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit - Verständnislosigkeit auf voller Bandbreite meinerseits, sorry.

Nachdem ich kurze Zeit später den allmorgendlichen Sanitäraufenthalt inclusive Nassrasur unfallfrei hinter mich gebracht habe, klingelt es erneut auf meinem mobilen Begleiter, und ich zucke zusammen. "Life sucks..., " murmele ich vor mich hin und schaue aufs Display. Chris´Nummer wird angezeigt. Wahrscheinlich gibts noch immer Probleme mit der Konvertierung seiner ganzen Takes. Morgen wollen wir für ein paar Tage nach Hamburg, um seine LP zu mischen, vorausgesetzt, sein kleiner Windows-Freund macht uns da keinen Strich durch die Rechnung ( ich liebe meinen Mac !!! )
„Also, ich hab das jetzt soweit am Start, ... mit der ersten Session...“ –
MIT DER ERSTEN SESSION !?! Die erste von zwölf. Wenn das in dem Tempo weiter geht, sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, ob wir in 24 Stunden nach Hamburg fahren. Das Studio ist gebucht, und wir haben vier Tage. Ganze vier Tage für zwölf Nummern.
„Pass auf,“ unterbreche ich ihn, „ wenn alle Stricke reißen, nehmen wir eben deinen gottverdammten Rechner mit nach Hamburg. Irgend einer von den Jungs da wird dieses preisverdächtige Programm schon kennen.“
„Du, das hatte ich sowieso vor,...w-e-e-iill ..i-c-hkk-k-f—s-o--..noch...kkk.-e-iii- b—o-ck-...... --------„
„Hallo? Haaallo...“ gähne ich ins Mobilteil, und schaue auf die Empfangsanzeige. Voller Ausschlag. Den krieg ich gleich auch, aber in meinen Kniekehlen. Sozusagen nen neurodermitischen Overkill.
Selbst in seiner Wohnung mitten in Köln hat Chris mit diesem Scheißteil keinen Empfang.
In solchen Momenten male ich mir aus, wie ich gemeinsam mit einem dieser „IchbinderpersonifizierteNewEconomyErfolg-Typen" auf irgend einer Party an der Sektbar stehe, und man sich nach einem coolen „Hi“ und wenigen Floskeln darüber austauscht, was man denn so macht, beruflich. „Ich bin Musiker,“ würde es mir leicht über die Lippen gehen, „und du?“
„Ich bin Entwickler für diese kleinen Verstärkerteile, die in den Handys......“ – Spätestens jetzt hätte er meine Faust in seinem Gesicht. Dabei kann der ärmste doch eigentlich gar nichts dafür. Meine eigene Schuld, wenn ich mich auf so etwas wie vermeintliche Dauererreichbarkeit einlasse, oder ?! Irgendwann, wenn ich angekommen bin, werde ich mein beschissenes Handy ins Meer pfeffern. Dann gibts unter dieser Nummer einfach keinen Anschluss mehr.

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