Sonntag, Dezember 25, 2005

Besinnliche Tage


Nun sind sie vorbei, die festlichen Tage. Tom entschied sich nach einer Flasche "Gutem Trockenen" kurzerhand, das Last-Minute-Angebot per Mausklick zu buchen und hockt derweil irgendwo auf Zypern, all inclusive. Während er am heiligen Abend in die Hotelbar eincheckte, sass ich bei Raclett nahe der französischen Grenze im nicht ganz kompletten Familienkreis und staunte unentwegt darüber, was man mit eigener Hände Arbeit, viel Zeit und nicht zuletzt eisernem Willen aus einem maroden Bauernhof machen kann.

Schnee gibts erst heute, und dann gleich zehn Zentimeter über Nacht. Ski und Rodel gut - selbst im wintervergessenen Rheinland. Nun, ich klage nicht wirklich, blieben mir doch durch Frau Holle´s Verspätung vierhundert Kilometer Chaos-Winter-Autobahn erspart, und ich cruiste gemütlich und vollkommen stressfrei in die südliche Pfalz und zurück.
By the way - wann behaupte ich schon mal, dass etwas stressfrei ist...?!

Also bleiben noch die restlichen Tage des Jahres. Viel zu tun gibts nicht mehr, und die Posten auf meiner Agenda 2005 sind alle abgehakt. Der Flieger ist gebucht, und ich werde versuchen, die noch verbleibenden Tage hier besinnlich zu verbringen. Restgedanken verwerten, so was in der Art.
Ich freu mich auf die Küste, und auf den Abschluss eines Jahres, das in vielerlei Hinsicht ein entscheidendes war.

Samstag, Dezember 10, 2005

Latrinen Willy


10. Dezember, es ist scheisskalt, und ich folge trotz allem der spontanen Einladung meines Bruders zum Nacht-Weihnachtsmarkt im Ahrtal-Idyll.
Durch Steffs überraschenden Besuch war ich bereits ein wenig im Delay, also hoffte ich auf freie Strassen und drückte noch mal ein wenig aufs Gas.
Als ich auf die Bundesstrasse abbog, fiel mir gleich die ankommende Schlange im Rückspiegel auf, und ich begrub meine Zuversicht in Sachen Pünktlichkeit.
Ein stinkender Unimog mit Bauwagenanhänger raste mit nahezu vierzig km/h in Richtung Norden. Und mir bleib nichts anderes, als mich auf gleicher Höhe neben ihm fahrend dafür zu entscheiden, mich unmittelbar hinter diesem schleichenden Verkehrshindernis einzureihen.
Somit belegte ich dann Platz zwei im Convoy, der sich schleppend und stinkend durch die eiskalte Nacht hustete.

Erst nach einigen Kilometern machte mein Kopf scheinbar ne Pause, und ich las die Werbeaufschrift in grossen weissen Lettern auf der Rückwand des roten (vermeintlichen) Bauwagens. "Latrinen Willy - Toiletten-und Duschwagen Verleih", gefolgt von der Handynummer des Herrn Unternehmer.
Ich tuckerte also schon seit Minuten hinter einem Scheißhaus-Wagen her, der ausser mir noch 20 weitere Nachtschwärmer ausbremste, und meine Gedanken kamen nicht umhin, das Szenario weiter zu spinnen, würde es hier zu nem Auffahrunfall kommen.

Da ich meinen zweiten Platz im Nachtzug noch immer inne hatte, wäre ich im Falle ohne Frage der Gearschte. Anyway - was auch immer sich hinter dieser Anhängerrückwand befand, ich fuhr ohne Frage auf der Pole-Position!
Als an der nächsten Ampel auch noch klar zu erkennen war, dass es an diesem Vehikel keine Bremslichter gab, konnte ich das unvermeidbare Drama schon förmlich riechen. Eine kleine Unaufmerksamkeit, ein unkonzentrierter Moment, und wohlmöglich würde mir so dann "die Scheisse bis zum Hals stehen".

Also riss ich den Blinker nach unten und startete ein gewagtes Überholmanöver, vorbei an Latrinen-Willy und seinem Mobilklo. So konnte ich meine abendliche Geburtstagsfahrt ungehindert fortsetzen, wenngleich ich noch das ein oder andere mal schmunzelnd an denjenigen denken musste, der nach mir Platz zwei belegte...

Dienstag, November 29, 2005

Fleminggatan


Ich laufe die Fleminggatan hinunter, zieh mir den Kragen der Jacke noch mal nach und rauche ne Half-zware. Die Strassen in Stockholm sind hell erleuchtet, in den Cafés herrscht reger Verkehr, und ich hänge meinen Gedanken nach. Wie schön es doch war, Richard nach all den vielen Jahren wieder zu sehen. Die Zeit war ohne Frage zu knapp, und wir hätten uns sicher noch so einige Latté Macchiatos lang Anekdoten der vergangenen achtzehn Jahre zu erzählen gehabt.
Ich vertage den Gedanken auf ein nächstes Mal, lege im selben Augenblick meinen erneuten Besuch in Stockholm als gebucht in die Ablage und lächle.

Einige Stunden später sitze ich im Fasching-Jazzclub und warte auf Michael´s Gig, während ich mir den Lachs schmecken lasse. Mein Body schreit nach Nahrung, und mit jedem Bissen kehrt ein Stück Leben in mein übernächtigtes Dasein zurück. Patrick, Vanessa und der Herr Striegl lassen sich ein paar Biere bringen, während ich mit Wasser vorlieb nehme, erstmal.
Michael & Band spielen erwartungsgemäss hervorragend, wenngleich ich den ein oder anderen Kommentar des Herrn Songwriter nicht so wirklich cool finden kann. Anyway - ich sitze in einem Stockholmer Club und Michael spielt "Tribute to you"...!
Der Hauswein schmeckt eher nach "House-Party-Wine", und ich nehme Abstand von dem Gedanken an ein zweites Glas. Dafür entschädigt jedoch noch immer das Menu. Nicht zuletzt trägt auch das allgemeine Rauchverbot in schwedischen Bars und Cafés dazu bei, sich wohl zu fühlen. Die Nacht kann kommen !

Frühstück im Radisson, excellent. Ausgecheckt und raus ins Schneetreiben, das über Nacht die Stadt in weiss gekleidet hat. Keine Frage, Wollmützen sind hier oben ein absolutes "must have".
Wenig später sitzen wir in einem kleinen Cafe´ in der Kungsgatan, und ich starre durchs Fenster, zähle die Flocken und möchte einfach nur bleiben...
Kein klarer Gedanke macht sich breit, und ich weiss, dass ich diese Leere, die angefüllt ist mit Impressionen der vergangenen vierundzwanzig Stunden, mit zurück nehmen werde, ohne wenn und aber.
Bis auf ein paar unbedeutende Einwürfe meinerseits ist von mir nicht viel zu hören.
Lange her, dass mein Mundwerk so wenig von sich gegeben hat binnen vieler Stunden, und ich mit weniger als fünf Kippen am Tag komfortabel war.
Umso bezeichnender, dass ich dafür erst nach Schweden fliegen muss. Also muss ich wieder hin - a.s.a.p.

Samstag, November 19, 2005

Wie man sich bettet, so liegt man

Es war ne kurze Nacht. Nicht, dass es die erste gewesen wäre, nach der sich mein Körper am nächsten Morgen meldet und fragt, ob ich noch ganz bei Trost bin. In jüngeren Jahren ging dieser morgendlichen Mattheit immer ein weinhaltiger Abend voraus, heute jedoch krieg ich das frei Haus, ohne einen Tropfen des teuren Gesöffs.
Woran das wohl liegt?
Trixi bekocht derweil ihre Zwerge, wie sie mir vorhin schrieb, und ich falle langsamen Schrittes aus der Dusche im Gästehaus, krame in der Reistasche nach frischer Baumwollware und spür das Dauerabo in den Lendenwirbeln. Wie prickelnd ...
Es wird kalt, Temperatursturz binnen zwei Tagen, und so sehr ich mich auf Schweden freue, es ändert nichts daran, dass ich meine Garderobe noch einmal einer Wintertauglichkeitsprüfung unterziehen sollte.
Die Nummer mit dem Operator der ominösen Fluggesellschaft ist zwischenzeitlich durch die Buchhaltung spaziert: vierzig Euro (in Ziffern: 40!) hats laut Herrn Striegl gekostet. Das macht Laune. Dafür telefonieren andere zwei Monate lang - wir hingegen schafften das in schlappen zwanzig Minuten.

Mein gestriger Spontanbesuch bei meinen Lieben in Oberwinter endete am Krankenbett der chirurgischen Abteilung. Dort liegt Albert seit nunmehr drei Wochen. Als ich zuvor in Siggis Haustür stand, sagte ich unmittelbar nach dem HALLO, dass ich seit zwei Wochen daran denke, vorbei zu schauen, aber es irgendwie nie geschafft hätte. Sie schaut mich fassunglos an und erzählt mir dann die ganze Story, und dass sie am morgen noch meine Nummer gewählt habe. Ja, es gibt eben Geschehnisse, die bedürfen keines konventionellen Informationsflusses. Man spürt einfach, dass da was nicht stimmt - egal wie weit man weg ist.

Eigentlich müsste ich mich längst um meine Hamburgreise gekümmert haben, aber da die zurückliegenden Monate durchweg mit "Geduld und Gelassenheit" überschrieben waren, lächle ich und verschiebe die notwendigen Telefonate auf morgen. Dann wird sich auch meine Wirbelsäule ein wenig erholt haben, und ich muss das Telefonat nicht alle fünf Minuten mit einem "mmh" und "ahhh" unterbrechen.

Sonntag, Oktober 23, 2005

Niemand vermisst uns

Bosse - Album: "Kamikatzeherz"

"Niemand vermisst uns
und auch die Nacht vergisst uns schon
Was du hörst sind nur Echos
Und die bleiben für immer
Niemand vermisst uns
und auch die Stadt vergisst uns schon
Wir trampen vor bis zum Rücksitz
und schlafen zum Meer"

Dienstag, Oktober 11, 2005

Stockholm hin, zurück mal sehen


Die Buchung des Stockholmfluges erwies sich als zeitraubende Vormittagsbeschäftigung, und die Vorfreude auf das Ereignis tropfte minütlich in Schweissperlenform von Markus Stirn. Da er sich dem Schwedentrip spontan anschloss und wir seine Kreditkarte zur Buchung nutzten, bestand mein Job eigentlich mehr darin, dem Herrn Striegl den Schaum vom Mund zu wischen, der sich während des äusserst unangenehmen Gespräches mit Callcenter-Operator 1 immer wieder aufs neue bildete.
Die doppelte Namensangabe in der Flugbestätigung per Mail war wohl eher ein Systemfehler, der sich auf der äusserst "professionell" gestalteten Buchungs-Website eingeschlichen hatte. Ein Mann kann ja unmöglich zweimal am selben Tag mit der selben Maschine ein und den selben Flug absolvieren...
Zudem wäre es an Dummheit kaum mehr zu übertreffen, wenn jemand einen Flug bucht, sich selbst dabei begleiten möchte, und dann gleich zwei Tickets ordert. So ein Ausflug, am Wochenende, nur ich und ich, wir zwei ganz allein.
Mangelnde Intelligenz seitens Mr. Operator 1 war nicht wirklich überraschend, seine Unverschämtheiten und die ungehobelte Wortwahl schon eher. Das Angebot, er könne den ersten Namen (der zudem orthographische Fehler aufwies) unter Umständen ändern, "nur der zweite koste dann fünfundsechzig Euro", war wenig einleuchtend.

Ich wischte also weiterhin Schaum und kümmerte mich mittlerweile zusätzlich um koffeinhaltigen Nachschub. Markus kochte derweil schneller und heisser als eine Espressomaschine es je könnte, und somit bekam mein Job schon leicht sportive Züge.
Die eindeutige Feststellung, dass das System wohl nen Fehler gemacht haben musste, erstickte abermals völlig erfolglos in der Unnachgiebigkeit von Operator 1.
Die Uhr tickte, und die Euros flossen nur so durchs Funknetz. Kein Weiterkommen. Markus Stimme veränderte auf sehr beunruhigende Weise ihre Klangfarbe. "Und jetzt will ich ihren Chef sprechen!"
Der Operator fackelte nicht lange, drückte auf die Verbindungstaste, und Stille machte sich breit. Minuten lang... Dabei blieb es auch. Es war wohl eher die "Leck- mich-am-Arsch-du-Scheisskunde-Taste".
Also startete der kochende Rockstar nen erneuten Anruf - tarifstabil, versteht sich.

Operator 2 war da schon freundlicher. Er schaute nach, und das Procedere mit Flugnummer und Erklärung der Situation startete erneut. "Einen Moment bitte", seuselte es durchs Funknetz, und wieder ruhte der See.
Stille. ...
Dann ein erneutes "Hallo". Offensichtlich hatte OP1 einen Vermerk ins System getippt: "Schwieriger und nicht abzockbarer Kunde", oder so etwas in der Art. OP2 war zwischenzeitlich also in Kenntnis gesetzt vom erfolglosen Gespräch mit seinem evolutionsvergessenen Kollegen. Wir waren vermutlich in der nächsten Abteilung gelandet, dort, wo man eben landet, wenn man nicht kommentarlos und nickend die Asche überweist.
Hier zeigte man sich schon etwas flexibler ob der "bindenden Geschäftsbedingungen", und mal ehrlich: wer will schon Ärger mit seinem Vorgesetzten?!
Plötzlich kostete das Ganze nur noch zwanzig statt fünfundsechzig Euro - zehn für jeden Namen. Also war der türkische Basar doch nicht in irgend einer Ausschliesslichkeitsklausel der Ryanair-Hausordnung wiederzufinden.

Natürlich brauchte man nochmal die Daten (wenngleich OP2 sie noch einige Euro früher laut und deutlich vorgelesen hatte), inklusive der Kreditkartennummer. "Zehn... ich wiederhole ..zehn .... fünfundvierzig ..... moment, jaa,...fünfund....." -
Vier Euro und ein paar Cent später waren die Daten dann nochmal schön langsam von Hand eingetippt, die Namen korrigiert, und die bevorstehende Abmahnung seitens der Abteilungsleitung abgewendet. Markus war sichtlich erschöpft, aber wohl eher von dem kochenden Blut und der leider unabänderbaren Tatsache, in Momenten wie diesen solchen Leuten nicht "Face to Face" gegenüber gesessen zu haben.
In diesem Fall nämlich hätte ein frontaler Schlag in die Kauleiste von OP1 schon ausgereicht, um einen Fehler, der völlig offensichtlich computertechnische Gründe gehabt haben muss, zu korrigieren.
OP2 verabschiedete sich, Markus warf das Handy auf den Tisch und atmete schwer. Seine Gesichtsfarbe hätte man in Anbetracht der herbstlichen Wetterlage als gesund bezeichnen können. Ich dachte eigentlich eher daran, ihm unverzüglich
Wasser zu bringen und den Kaffeekonsum bis auf weiteres zu stoppen.

Und die Moral: bei Ryanair immer alles gaaaanz laaangsam ausfüllen, damit du nicht versehentlich mit dir selbst in urlaub fliegst, und dich am Ende des ersten Urlaubstages nicht fragst, wo eigentlich deine Begleitung geblieben ist. Ihr hattet doch zu zweit gebucht..?!

Freitag, Oktober 07, 2005

See you later, dad


Und erneut öffnete sich die Besucherschleuse zur Intensivstation der Inneren Abteilung. Der Weg führte vorbei an unzähligen und durch grosse Glasflächen einsichtige Stationszimmer. In jedem einzelnen dieser Räume eine Geschichte, ein ganz eigenes Schicksal. Aus allen Richtungen ertönt das Gepiepse von ausgelaufenen Infusionsaparaturen. Gelassenheit auf den Fluren, keine Hektik, null Stress. An einem Ort wie diesem zählt all das nicht mehr. Zeit ist hier mehr als nur relativ. Das lernte ich in den zurückliegenden Wochen ohne Frage. Und das ist nun schon ein ganzes Jahr her ...

Dad lag scheinbar ruhig und entspannt und noch immer voll verkabelt auf dem Rücken, und die Bewegungsautomatik des Betts stand auf Stop. Wenngleich sich sein Brustkorb hob und senkte, so wusste ich dennoch, dass nicht er es war, der atmete. Wie sehr man sich doch mit einem solchen Anblick arrangiert hatte in den vergangenen Wochen...? Ich erschrak bei dem Gedanken, doch sogleich wurde mir klar, dass dieser Besuch unser letzter sein würde. Unser letztes Treffen, wir alle zusammen. Chris sass erschöpft auf einem Stuhl neben dem Bett, den Kopf auf Dad´s Bein ruhend, und manchmal schloss sie ihre Augen für einige Minuten. Dirk und Mom standen rechts und links am Kopfende, und immer wieder strich Mom´s Hand durch sein Haar. Auf dem Boden Anke und Kalle, müde und schläfrig. Ich hielt seine Hand, sprach mit dem Wind und bat ihn, für mich zu übersetzen. Wir alle spürten, dass nun der Augenblick gekommen war, auf Wiedersehen zu sagen. Ich weiss nicht, ob ich an alles dachte, was ich noch hatte sagen wollen, und ob es von Bedeutung gewesen wäre. Aber wieder einmal mehr begriff ich, dass es für alles im Leben den richtigen Augenblick gibt. Und wenn man ihn nicht als solchen erkennt, wird das ein oder andere im Leben als Leerzeile zurückbleiben.

Noch immer beeindruckt von der Rede meines Bruders, die er auf der Trauerfeier vor all den fassungslosen Gesichtern hielt, bleibt mir an einem Tag wie heute nur, mich eben dieser Rede zu erinnern und noch einmal zu lauschen.
Wenngleich man um die Tatsache weiss, dass alles im Leben seinen Platz hat, alles seine Zeit und es immer irgend etwas geben wird, das es noch zu erledigen gilt, so ist in Augenblicken wie diesen eine unabwendbare Einsicht die wohl grausamste: Nichts wird mehr so sein, wie es einmal war.

See you later, dad !

Mittwoch, September 28, 2005

Alles, wie es sein soll...?!

28. September...- ich sitze im Kombi Richtung Süden. Aus dem CDplayer ertönt Don Henley´s "Taking you Home", und ich drehe mir ne Halfzware, während mein linker Oberschenkel einige Momente und mehrere hundert Meter lang die Lenkung übernimmt. Irgendwann werden sie mich anhalten und im Anschluss an das obligate "Führerschein und Fahrzeugpapiere, bitte" fragen, ob ich sie noch alle habe. Drauf geschissen. Fünfhundert Kilometer für ein Lächeln. Nein - für das bezauberndste Lächeln überhaupt! Ein Hotelzimmer hatte ich im besten Haus am Platz gebucht, und je näher ich dem südlichsten Zipfel des Landes kam, um so mehr fühlte ich wieder diesen Zauber des Lago de Maggiore, der mich noch fünf Wochen zuvor in seinem Bann hatte.
Das Hotelzimmer brauchte ich nicht wirklich, denn das Lächeln und ich verbrachten die Nacht damit, Lebkuchenherzen aus dem Vorweihnachtssortiment zu futtern, während wir uns einander vom Leben erzählten. Doch das ist nun schon viele Monde her ....

Und heute ist wieder der achtundzwanzigste. Das Lächeln aus dem Süden gibt es leider schon lange nicht mehr. Joerg Pilawa quized noch immer um 19.30 Uhr, "Herzblatt" wird auch wiederholt, den elften September hat man bedächtig verbracht, und auch auf den obligaten Sonnentiefstand um diese Jahreszeit ist Verlass. Alles im Lot? Alles, wie es sein soll? Fast...! Dad ist nicht mehr da, und er fehlt. Mein Diktiergerät füllt sich nur langsam mit Melodien, und Langsamkeit ist etwas, was mir nicht wirklich liegt. Stockholm ist gecancelt, vorerst. Kaufinteressenten für das Haus geben sich nicht gerade die Klinke in die Hand, und meine handwerklichen Fähigkeiten sind dann jetzt auch erschöpft. Bevor ich also noch etwas kaputt repariere, lass ich die Dinge, wie sie sind. Alles, wie es sein soll? Sicher. Meine Reisetasche muss noch ein wenig halten, und Lebkuchenherzen verschicke ich nur in Gedanken - aber ich vergesse sie nicht. Alles ist, wie es sein soll ...

Mittwoch, September 21, 2005

Übermorgen


Striegls Album wächst und wächst, während die Ideen für mein eigenes sich noch immer eine zeitlang mit einem Platz auf dem Diktiergerät zufrieden geben müssen. Nun, so rein timingmässig geht das völlig in Ordnung, lebe ich doch derzeit ohne Frage nicht gerade in einem Envoirement, das mir einen kreativen Eisprung nach dem nächsten beschert. Zwischen disaströsen Bundestagswahlen und amerikanischen Evakuierungs-Marathons lebt es sich aus einer Reisetasche nicht gerade komfortabel, but anyway... Dabei stelle ich mir gerade die Frage, warum all diese Hurrikans, die derzeit der Reihe nach den Süden der USA besuchen und sich als eine uferlose Prüfung der republikanischen Staatsführung entpuppen, eigentlich immer solch süsse Frauennamen wie "Katrina" oder "Rita" tragen. Natürlich, das hat nen meteorologischen Hintergrund..., schon klar. Und doch treibt´s mir ein wenig die Furcht in die Adern. Seh´ ich da vielleicht irgend welche Zusammenhänge ob meiner Beziehungen?! Um diese düsteren Gedanken nicht noch weiter zu vertiefen, unterziehe ich die Espresso-Maschine einem erneuten Funktionstest und stell meine Neigung zu schwer nachvollziehbaren Zusammenhängen mal hinten an, fürs erste.
Nun, der Sommer neigt sich unübersehbar dem Ende entgegen, und rückblickend komme ich zu einem klaren Ergebnis. In Sachen Geduld und Timing parke ich noch immer auf dem Randstreifen, mein Verleger entpuppte sich als ohnmächtig und wenig innovativ, und meine Prognosen bezüglich dieses Jahres haben sich ausnahmslos als richtig erwiesen. Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Das Jahr geht straight ins letzte Quartal, und es können noch so einige "Ritas" oder "Katrinas" übers Land fegen. Aber ich fühle mich mittlerweile genügend katastrophenerprobt und bin zuversichtlich. An meinem Frühwarnsystem werde ich noch arbeiten müssen, vielleicht ein Leben lang, wer weiss das schon...
Laith singt mir in diesem Moment die Schlusszeile des heutigen Ausflugs über die Laptopspeaker. Ich nicke, dreh mir ne Halfzware, und lächle dem morgen entgegen.

"Ich fang schon an zu zählen, heute ist der erste Tag danach - der erste ist der schlimmste,, - wie ich Übermorgen mag !" (Laith Al-Deen, "Nie mehr" aus "Ich will nur wissen")

Der Herbst kann kommen ...

Freitag, September 09, 2005

Kein Anschluss unter dieser Nummer

Ich drücke die Halfzware in den Aschenbecher und brau mir erneut nen Espresso. Ein mitleidiges Lächeln als Gruß an meinen Magen, zu mehr bin ich kaum in der Lage an diesem Tag. Ein Tag, der dir beim ersten Augenaufschlag schon ins Gesicht grinst:" Bleib einfach liegen, alter. Das heute wird echt scheisse!" Anyway - ich spüle mir den Rest der Nacht mit dem heiss-braunen Gebräu aus dem Mund und nehme, was kommt. Auf dem Tisch stapeln sich Mahnungen, und ich komplettiere meine allmorgendlichen Auftritt mit einem Kopfschütteln. Gerade will ich ins Bad, um wenigstens den äußerlichen Verfall abzuwenden, da klingelt das Telefon:
„Guten Tag, spreche ich mit Herrn A...?“ säuselt mir eine geschulte Stimme entgegen, die in mir sofort dieses Unbehagen hervorruft, das man hat, wenn man mit ner wirklich miesen Durchfallerkrankung in nem vollen Zugabteil Platz nehmen muss.. Call-Center-Alarm!!!!
“Ja,..” breche ich heraus, und noch ehe sie eine Chance hat, mich mit ihren Verkaufsplatitüden zuzutexten, jodele ich: “...,danke, ich habe KEIN Interesse", und lege auf.
Es gibt wohl kaum etwas, was mich zwischen all den Realitysoaps, SMS Werbetrailern und Schmalspur-TV-Shows mehr abturnt als diese Hühner aus den Großraumbüro-Lege-Batterien, die dir am Telefon deine Zeit stehlen und versuchen, dir binnen zwölfeinhalb Sekunden einen vermeintlichen Lottogewinn aufs Auge zu drücken. Natürlich nur, wenn sie noch Zeit haben, das Kleingedruckte zu stottern, damit du ein beschissenes Los kaufst. Auch wenn Mrs. Headset gerade nur ihren zweifelhaften Job macht, der ihr ohne Frage gegönnt sei in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit - Verständnislosigkeit auf voller Bandbreite meinerseits, sorry.

Nachdem ich kurze Zeit später den allmorgendlichen Sanitäraufenthalt inclusive Nassrasur unfallfrei hinter mich gebracht habe, klingelt es erneut auf meinem mobilen Begleiter, und ich zucke zusammen. "Life sucks..., " murmele ich vor mich hin und schaue aufs Display. Chris´Nummer wird angezeigt. Wahrscheinlich gibts noch immer Probleme mit der Konvertierung seiner ganzen Takes. Morgen wollen wir für ein paar Tage nach Hamburg, um seine LP zu mischen, vorausgesetzt, sein kleiner Windows-Freund macht uns da keinen Strich durch die Rechnung ( ich liebe meinen Mac !!! )
„Also, ich hab das jetzt soweit am Start, ... mit der ersten Session...“ –
MIT DER ERSTEN SESSION !?! Die erste von zwölf. Wenn das in dem Tempo weiter geht, sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, ob wir in 24 Stunden nach Hamburg fahren. Das Studio ist gebucht, und wir haben vier Tage. Ganze vier Tage für zwölf Nummern.
„Pass auf,“ unterbreche ich ihn, „ wenn alle Stricke reißen, nehmen wir eben deinen gottverdammten Rechner mit nach Hamburg. Irgend einer von den Jungs da wird dieses preisverdächtige Programm schon kennen.“
„Du, das hatte ich sowieso vor,...w-e-e-iill ..i-c-hkk-k-f—s-o--..noch...kkk.-e-iii- b—o-ck-...... --------„
„Hallo? Haaallo...“ gähne ich ins Mobilteil, und schaue auf die Empfangsanzeige. Voller Ausschlag. Den krieg ich gleich auch, aber in meinen Kniekehlen. Sozusagen nen neurodermitischen Overkill.
Selbst in seiner Wohnung mitten in Köln hat Chris mit diesem Scheißteil keinen Empfang.
In solchen Momenten male ich mir aus, wie ich gemeinsam mit einem dieser „IchbinderpersonifizierteNewEconomyErfolg-Typen" auf irgend einer Party an der Sektbar stehe, und man sich nach einem coolen „Hi“ und wenigen Floskeln darüber austauscht, was man denn so macht, beruflich. „Ich bin Musiker,“ würde es mir leicht über die Lippen gehen, „und du?“
„Ich bin Entwickler für diese kleinen Verstärkerteile, die in den Handys......“ – Spätestens jetzt hätte er meine Faust in seinem Gesicht. Dabei kann der ärmste doch eigentlich gar nichts dafür. Meine eigene Schuld, wenn ich mich auf so etwas wie vermeintliche Dauererreichbarkeit einlasse, oder ?! Irgendwann, wenn ich angekommen bin, werde ich mein beschissenes Handy ins Meer pfeffern. Dann gibts unter dieser Nummer einfach keinen Anschluss mehr.

Montag, September 05, 2005

Einsichten


Zurückblickend zeigt sich alles glasklar. Das Puzzle des erneut verlorenen und immer wiederkehrenden Spiels setzt sich in langen Nächten und pausenlos sich selbst beantwortenden Fragen fast mühelos zusammen – doch ständig begleitet von der vermeintlichen Einsicht, an Dummheit und Unzulänglichkeit nahezu unschlagbar zu sein, nicht wahr ...?!
Das Wissen darum ändert aber leider nichts an dem Verbleib der Enttäuschung; Enttäuschung über die Missgeschicke und das scheinbare Unverständnis des anderen, die aber unaufhaltbar, früher oder später, in der Enttäuschung über das eigene Selbst ihr Ziel findet.
Oftmals wird all das begleitet von Neid – Neid auf diejenigen, die scheinbar unaufhörlich aus der Quelle des Glücks trinken und in Sorglosigkeit baden. Wir wissen selbstverständlich, dass auch dieser Gedanke nichts reales hat – und dennoch sprechen wir uns nicht wirklich davon los. Es bleibt der immer währende Wunsch nach Glück – und dabei liegt es immerzu in unseren eigenen Händen, niemals in den Händen des anderen!

„Mit Unliebem vereint sein, ist Leiden.
Von Liebem getrennt zu sein, ist Leiden.
Nicht erlangen, was man begehrt, ist Leiden.“
Auch wenn es sich anhört, als könne man nur wunschlos glücklich sein, so gibt es da eben diesen einen Unterschied: den zwischen Wünschen und Begehren. Gier ist etwas völlig anderes als ein Wunsch.
Wer gierig ist glaubt, etwas haben zu müssen – wer sich hingegen etwas wünscht, der möchte gerne etwas haben, ohne es erlangen zu müssen. Wer wünscht, der ist sich bewusst, dass es auch anders geht. (Buddah)

Montag, August 22, 2005

Klingelingeling

MTV Geschäftsführerin Catherine Mühlemann verfügt nicht nur über ein bezauberndes Lächeln, sondern offensichtlich auch über das, was derzeit wohl schwieriger zu finden ist als steinzeitliche Utensilien geologischer Ausgrabungen: die Einsicht nämlich, dass dauerhafter Erfolg primär abhängig ist von Qualität, Kundentreue und Geschmack. "Zielgruppenorientierung" ist zwar ein schönes Wort und lässt das oft inhaltslose und nicht nachvollziehbare Geschwätz so mancher Pseudogeschäftsleute in etwas hellerem Licht erscheinen, aber was es wirklich bedeutet, weiss vermutlich keiner.
Wenn damit gemeint ist, dass man um jeden Preis versucht, gleichermaßen unmündigen wie orientierungslosen Jugendlichen das ach so üppige Taschengeld aus den unförmigen Jeans zu ziehen, dann hoffe ich, dass es irgendwann eine entsprechende Erweiterung im Jugenschutzgesetz diesbezüglich geben wird. Siebenstellige Jahresgehälter in der Telekom-Chefetage, ein vererbtes Monopol der ehemals staatlichen Post, und nicht zuletzt jährliche Umsätze in Milliardenhöhe der gesamten Telekommunikationsindustrie zwingen zu mehr Verantwortung; Verantwortung gegenüber unseren Kindern. So wie auch die Musikindustrie ein Stück weit die Verantwortung dafür trägt, womit sich die Kids identifizieren, was sie hinterfragen oder aber vorgekaut und schwer verdaulich einfach schlucken - müssen.

Da gröhlt ein geschmacklos animierter Frosch gemeinsam mit einem sturztrunkenen Elch einige Zeilen zusammengeflickter Schunkelweisen, oder aber man kriegt den "neusten Hit" als GeneralMidi-Sound in acht taktiger Dauerschleife schmackhaft gemacht, damit´s beim nächsten Klingeln auch so richtig schön weh tut. Und das alles fast umsonst - denn man braucht ja nur mal schnell ne SMS an die eingeblendete Nummer zu senden, während das Gejammer und Gewimmer der ästhetisch fragwürdigen Kuscheltierchen mit über hundert dezibel aus den TV-Lautsprechern brüllt. Und es sei erwähnt, dass dieser Medienterror derweil 24 Stunden täglich und in zehnminütigen Abständen ausgestrahlt wird. Dass diese"ichkaufmichcool-SMS" je nach Prepaid Card aber richtig Kohle kostet, und zeitgleich per Bestätigung Aboverträge mit Kindern und Jugendlichen UNTER 18 Jahren abgeschlossen werden, interessiert da nur peripher. Ein hoch auf die Vorzeigerunternehmen aus der Telekom-Branche - und nicht zuletzt auf die Musikindustrie.
Es ist machmal ne echt schwere Entscheidung, ob man angesichts solcher Tatsachen entweder resigniert auf sein Erbrochenes schauen, oder sich statt dessen lieber einer radikalen Untergrundbewegung anschliessen möchte. Eines ist sicher: ich kann nicht annähernd so viel essen, wie ich manchmal kotzen möchte.

Anyway - MTV machts nun also vor, und will den Jamba-Müll ab Oktober zwischen 16.00 und 24.00 Uhr vom Sender nehmen, da man sich, wie im Spiegel zu lesen war, der negativen Auswirkungen auf das Senderimage bewusst geworden sei.
Bleibt zu hoffen, dass die Musiksender nicht nur unnötig Sauerstoff verbrauchen bei der Verlautbarung solch eingreifender Maßnahmen, sondern tatsächlich dahinter gestiegen sind, dass der Titel "Music Tele Vision" eigentlich durch das seine Berechtigung findet, was der gemeine Betrachter dort vorzufinden glaubt: Die Welt der Musik!. Zuweilen fristet der Videoclip eines Acts jedoch eher das driste Dasein eines Werbespots für Zahnpasta, den man alle fünfzehn Minuten mal einfügt zwischen all den Ringtone-Abfällen. Hoffentlich behalten sie ihren Job nach dieser Pressemeldung, liebe Frau Mühlemann. Meine Stimme haben sie !

Samstag, August 20, 2005

Das Kalb und seine Metzger

Derzeit dürfte wohl neben dem Papstwahn abertausender, katholischer Jugendlicher noch immer die in Zahl kaum zu übertreffenden Wahlredenausrutscher des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber Topthema sein. Doch wen wunderts noch wirklich? Hat er sein Gesicht ausserhalb des katholischen Südens doch bereits bei der letzten Wahlstaffel vor drei Jahren verloren, nachdem er die damals hochgehandelte Kanzlerkandidätin aus dem Osten mal eben schön schmierig ins Abseits gelächelt hat. Und nun, da sie unumstösslich die Kandidatin der christlich-demokratischen Politjunkies ist, versucht er es offensichtlich auf die ganze miese Tour. Ob er seiner Schwesterpartei damit wirklich zum Sieg verhelfen wird, ist nicht nur fraglich, sondern stösst in eben diesen schwesterlichen Reihen derweil ausnahmslos auf Empörung. Vor allem jedoch scheint er einem ohnehin schon angeschlagenen Volk unmissverständlich klarmachen zu wollen, dass hier "nichts zusammenwächst, was zusammen gehört". Die Frage ist: kümmerts wirklich jemanden?

Ganz gleich, ob Bayerns Oberhäuptling nun einfach einen verbalakrobatischen Foupas gelandet hat, oder er (wie mir manchmal scheint) tatsächlich den ein oder anderen Unfug glaubt, den er da ablässt. Die Ärsche, die es zu lecken gibt, werden weniger und weniger. Dessen ist er sich ganz offensichtlich nicht wirklich bewusst. Und wer weiß, vielleicht steht er dann am Ende gar auf dem selbst entworfenen Schlachthof und schaut in die Augen seiner ebenso selbst gewählten und geifernden Metzger, die sehnsüchtig darauf warten, ihrem Handwerk nach zu gehen.

Anyway - während wir uns über solche Dinge den Kopf zerbrechen und hier und da auch das Maul verbrennen ( gut so! long live Rock´n Roll! ), bleibt es eine unumstössliche Tatsache, dass mindestens fünzig Prozent der hiesigen Wähler nicht einmal wissen, wer Stoiber überhaupt ist, und sicherlich ebenso viele Bundesbürger mit Wahlberechtigung für astronomische Einschaltquoten in der Jauchegrube der privatisierten TV-Landschaft sorgen. Und in eben diesen Kläranlangen des guten Geschmacks liegt der grösste Teil des Übels, eingebettet zwischen Courtshow, Superquiz und Reportagen, die keine sind.

Am besten wäre es, es würde überhaupt nicht gewählt, sondern bei Aldi, Lidl und Co. gäbs einfach ab kommenden Dienstag
ein bestimmtes Kontingent an Bundestag-Mitglied-Tickets. Dann könnte jeder, der rechtzeitig in der morgendlichen Schlange vor dem Eingang Position bezieht, solange mitregieren, bis wieder die nächsten Tickets verfügbar sind
und gewechselt wird. Der meisbietende Privatsender würde das ganze Spektakel natürlich live und exklusiv übertragen, und per 0190er Nummer darf man dann abstimmen, wer wann wie aus dem Haus fliegt. Na, das wär doch mal ein Spass!
Genau das Richtige für eine Spassgesellschaft wie die unsere.

Dienstag, August 16, 2005

Egal wer dein Vater ist ...


An Tagen wie diesen, da sich der Sommer nicht gerade von seiner besten Seite zeigt und man schon beim ersten, morgendlichen Blick aus dem Fenster nichts als ein Kopfschütteln aus der Seele drückt, denkt man ganz romantisch und ein wenig leidvoll an Klassiker wie Sonnenuntergänge, Meeresrauschen, laue Sommerabende und Gelassenheit.
Nun ja, letzteres dürfte auf meiner Wunschliste ganz oben stehen. Jedoch steht jeder Wunschliste auch immer eine Haben-Liste gegenüber. Da belegt diese Tugend dann eher den letzten Platz, direkt nach solchen Kleinigkeiten wie wirtschaftlicher Sanierung und ein wenig mehr Zufriedenheit. - Zufriedenheit; was für ein Wort ?! Im Grunde ein Begriff so dehnbar wie ein Bungeeseil. Es soll Menschen geben, die mit nichts zufrieden sind, und wieder andere die nichts brauchen, um zufrieden zu sein...

Ich weiss nicht wirklich, zu welcher Kategorie ich mich zählen sollte. Rückblickend auf die vergangenen Monate mag mir eine Nominierung für den Askese-Grammy sicher sein. Und doch glaube ich zuweilen, dass nichts in meinem Leben mehr Bedeutung hat als die Tatsache, nicht dort zu sein, wo ich dem Gefühl nach zu sein hätte.

Doch wie so oft im Leben, halten solcherlei Einsichten immer dann Einzug, wenn eigentlich schon der Ausmarsch gespielt wird und die Kapelle aus dem letzten Loch pfeift. Scheiss Timing ! Folglich kommt man nicht umhin, sich eingestehen zu müssen, dass man die "Everybodys Darling Schiene" nicht unendlich weiterfahren kann. Es führt dann unaufhaltbar ins Uferlose. Ein verlässlicher Partner und stetiger Begleiter in Sachen "ich wink nicht nur damit, sondern hau dir den Zaunpfahl direkt in die Kauleiste" ist das Leben selbst. So kommt man nicht umhin, neben kieferorthopädischen Terminplanungen, hier
und da auf die Bremse zu steigen, die Agenda zu korrigieren und ein Stück weit "gar nicht mehr so nett zu sein!"
Denn es gibt für alles im Leben ein Spielfeld, ein Timing und definitiv nicht unbegrenzte Versuche. Wer und was da dann wie und warum mit ner gelben Karte geahndet wird, auf der Ersatzbank platz nimmt oder gar mit Platzverweis zu rechnen hat, ist abhängig von Dingen wie Kondition, Eifer, Spielfreude oder Fairness. Und es gibt immer wieder Menschen im Leben, die das Spiel als solches einfach nicht mögen. Ok, die findet man sicher nicht in der Südkurve. Nein, die bevorzugen sicherlich die
Nordschleife des Rings. Macht es doch das Rennen um so viel länger und spannender. Dumm nur, dass die Nordschleife nicht
mehr zur offiziellen Rennstrecke gehört. Ausserdem führt ein solcher Umweg nicht wirklich in konkurrenzfähiger Zeit durchs
Ziel - wenn überhaupt.

Es gibt also immer wieder mal diesen einen Punkt im Leben, da man sich seiner selbst zu stellen hat, ob man nun will oder nicht. Jammern hilft da nur bedingt, denn nichts ist so sicher wie die unumstössliche Tatsache, dass der Weg geradeaus ins morgen führt, und selbst mit ner bekackten Bahncard und nem "Super-Weekend-Ticket" fährt der Zug vorwärts, niemals zurück. Also bleibt einem nichts anderes, als sich nen Espresso aus der Maschiene zu quetschen, für nen Augenblick inne zu halten, und sich darüber klar zu werden, dass jetzt nichts wirklich wichtig ist, nur du selbst. Denn nur, wenn du am Morgen aus dem Fenster blickst, und dir ein Lächeln entweicht, obgleich es draussen aussieht, als hätte man hier vergessen, das Sommerabo zu verlängern und auf diverse Mahnungen nicht reagiert - nur dann ist man auch in der Lage, so etwas wie ein Lächeln zu verschenken.

Also versucht man, es mit ein wenig resignativer Einsicht anzunehmen, geht vom Gas, hält inne und wirft die Angel ins
Wasser. Ruhe, Geduld.., Ruhe, .., Geduld, ... . Ungestört bleibt man nicht wirklich lange - hey, wir sprechen übers Leben, nicht über einen Nachmittagskaffee. Da jagen fromme Sprüche und schlaue Ratschläge die althergebrachten Weisheiten der Geradlinigkeit und Klugscheisserei. Na, und da heissts dann, das verstandene umzusetzten, und der Versuchung entgegen
zu brüllen: "Egal, wer dein Vater ist - solange ICH hier angle, läuft hier niemand übers Wasser!"
Was für ein Sommer ...

Samstag, Juni 04, 2005

Alles was ich brauch

Als ich die Aufforderung las, nun mein Profil zu vervollständigen, widmete ich mich erst einmal den Standards, die man ganz unkompliziert per Mausklick abhaken konnte. Zwischen Sportaffinitäten und Lifestyle-Highlights klickte man sich scheinbar Stück für Stück ins vermeintliche Paradies. Coole Sache, wenn da nicht die Geschichte mit der Personality quer schießen würde. In jeder neuen Auflistung suchte ich wiederholt nach den passenden Attributen. "Gut Essen und Reden" stand zur Auswahl. Mir schoss durch den Kopf, dass genau das etwas war, was meinen Vater zur Weisglut brachte. Wenn wir zu fünft am Mittagstisch saßen, und mit vollem Mund unsere Schulerlebnisse des Vormittags zum Besten gaben. Nun, er zog es sodann vor, alleine zu essen. Also kein Haken für diese Rubrik - obgleich ich sowohl gutes Essen als auch ne ausdehnte Unterhaltung zu meinen Favoriten zählen würde.

Nachdem ich also einige Tassen Kaffee später durch den Märchenwald der "Likes" und "Dislikes" spaziert war, und hier und da mein obligates Kreuzchen gemacht hatte, um dem "Girl in the moon" ne klare Impression meines ach so strukturierten Lebens zu geben, ging es ans Eingemachte. "Mehr über mich" hieß die folgende Sparte. Wenngleich ich mir wohlweißlich den ein oder anderen Probanden vorab angesehen hatte, und immer wieder auf den Eintrag "Mir fällt nix ein" stieß, war an dieser Stelle nun absolute Aufmerksamkeit angebracht. Schlaue Zitate, witzig anmutende "fg´s" (was wohl soviel heißen soll wie "freches grinsen im Gesicht deines Gegenüber...), klare Ansagen, detailverliebte Suchaufträge bis hin zum „Kommafehler-Marathon“ - nichts, was es nicht gab. Hier konnte man nun wahrlich das Rad nicht neu erfinden, schon gar nicht, wenn man wie ich zwischen Umzugkartons und auslaufender DSL-Rate saß, und nicht mal wusste, warum man sich eigentlich hier eingetragen hatte, in ner Single Community.
Ich handelte die Sache ab, zügig und wenig kreativitätsbewusst, um sodann in den Weiten des "World Wide Wahnsinns" etwas zu finden, was es dort aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wirklich zu finden gab; - den Schlüssel zu meiner eigenen, inneren Haustür vermutlich.
Wenn man sich dann mal so einige Half-Zwares (die Tabaksorte sei aus Gründen der Werbung unerwähnt) und etwa vier Tassen Kaffee lang durch das Angebot klickt, wird man relativ schnell drauf kommen, dass man sich geradezu so verhält, als sei man im Sommerschlussverkauf. Fehlen eigentlich nur noch die "Jetzt bestellen" Buttons rechts neben den Profilfotos. Man ermüdet merklich, und irgendwann findet man sich wieder mit einem Adrenalinspiegel, der wohl dem eines Fünfjährigen gleicht, den man in der Vorweihnachtszeit durch die Regale des "Toys R´Us" zerrt. Früher drückten sich die lieben ihre Nasen platt am eiskalten Schaufensterglas, ob der ach so schön in Szene gesetzten Auslegeware. Mit achtunddreißig drückt man den Zinken dann in der Nacht gegen ´nen Computermonitor, obgleich man schon lange nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubt.

Und doch gibt es diese kleinen Highlights, die hier und da Einzug halten in unser manchmal ach so trübes „Wir-sind-alle-megabusy-Leben“. Ja, und die kommen dann in Form einer Spontanaufforderung zum althergebrachten: man telefoniert! Wie seltsam, tippte man doch Minuten vorher noch sein geschöntes und künstlich aufgepepptes Leben in die vor sich hinrödelnde Maschiene, ohne die wir scheinbar irgendwann nicht mal mehr alleine aufs Klo können...
Dann das "Hi, ich bin’s", so als kenne man sich schon ewig. Es brauchte eigentlich keine zwei Sätze, um nachhaltig zu verstehen, dass es Dinge im Leben gibt, die sich niemals ändern werden - egal wie schnell sich Daten verschicken lassen, oder ein fluxes "ich mail´s dir mal grad rüber" eine betriebswirtschaftliche Ersparnis im dreistelligen Bereich voraussagt.
Einiges funktioniert eben anders.

Sodann zeigt sich das Leben wieder von dieser niemals enden wollenden, weisen Seite. "Du hast alles, was du brauchst", ist die Maxime. Ich las diesen Satz in so mancher Abhandlung über Sinn und Unsinn, ... und doch kommt er mir in Zeiten wie diesen abhanden. Der Overflow vielleicht, .... die Monate des "ich denk´ zuviel und üb´ zu wenig", Dads überraschender Tod, die gesperrte Mastercard, die nicht enden wollende "ich-muss-zum Friseur-Kiste", ... ! Whatever ...
Ja, ich hab alles, was ich brauch - bis auf die Kohle fürs Ticket. "Aber auch das gelingt mir noch", sang Herbert, als er von Flugzeugen im Bauch berichtete. Damals gab´s allerdings noch keine Billigairlines....

Also freue ich mich lieber auf ein klingelndes Telefon, statt uferlose Bits und Bytes durchs Webnirvana zu schicken. Und dieses Telefon habe ich schon ne ganze Weile. Ich hab doch alles, was ich brauch, oder .....?!

Mittwoch, Mai 18, 2005

Intro

Eigentlich wären da an die zehntausend Dinge, die es zu erledigen gäbe: ein längst überfälliges Schreiben an den Fiskus, die Reisevorbereitungen für den nächsten ( und ausnahmslose einzigen ) Job, der Banktermin, das Meeting mit meinem Verleger,
etc., etc. ...
Ich erspare mir weitere Gedanken in diese Richtung, lege eines dieser Kaffeepads in die Senseo und braue mir ungeachtet der
abendlichen Stunde einen heissen, dunklen Freund, während ich noch immer über den Namen seniere, den ich diesem Blog wohl geben sollte.
In Anbetracht der Tatsache, dass meine Vorschläge in Richtung "Andante", "Adagio" oder gar "was solls" von Seiten der Bloggergemeinde entschieden abgelehnt wurden, landete ich also in Sachen Blogtitel genau da, wo ich eigentlich immer lande, wenn ich mich daran mache, dem Disaster einen Namen zu geben. Nun, der ein oder andere Zusammenhang wird sich dem Leser im Laufe dieses Blogs sicher noch erschliessen. Folglich erspare ich mir und Euch hier und jetzt weitere Details. Statt dessen checke ich mal das Envoirment, hoffe auf den ein odder anderen "kreativen Eisprung" ( wie Josh zu sagen pflegt!), und heisse Euch herzlich willkommen.