Montag, August 22, 2005

Klingelingeling

MTV Geschäftsführerin Catherine Mühlemann verfügt nicht nur über ein bezauberndes Lächeln, sondern offensichtlich auch über das, was derzeit wohl schwieriger zu finden ist als steinzeitliche Utensilien geologischer Ausgrabungen: die Einsicht nämlich, dass dauerhafter Erfolg primär abhängig ist von Qualität, Kundentreue und Geschmack. "Zielgruppenorientierung" ist zwar ein schönes Wort und lässt das oft inhaltslose und nicht nachvollziehbare Geschwätz so mancher Pseudogeschäftsleute in etwas hellerem Licht erscheinen, aber was es wirklich bedeutet, weiss vermutlich keiner.
Wenn damit gemeint ist, dass man um jeden Preis versucht, gleichermaßen unmündigen wie orientierungslosen Jugendlichen das ach so üppige Taschengeld aus den unförmigen Jeans zu ziehen, dann hoffe ich, dass es irgendwann eine entsprechende Erweiterung im Jugenschutzgesetz diesbezüglich geben wird. Siebenstellige Jahresgehälter in der Telekom-Chefetage, ein vererbtes Monopol der ehemals staatlichen Post, und nicht zuletzt jährliche Umsätze in Milliardenhöhe der gesamten Telekommunikationsindustrie zwingen zu mehr Verantwortung; Verantwortung gegenüber unseren Kindern. So wie auch die Musikindustrie ein Stück weit die Verantwortung dafür trägt, womit sich die Kids identifizieren, was sie hinterfragen oder aber vorgekaut und schwer verdaulich einfach schlucken - müssen.

Da gröhlt ein geschmacklos animierter Frosch gemeinsam mit einem sturztrunkenen Elch einige Zeilen zusammengeflickter Schunkelweisen, oder aber man kriegt den "neusten Hit" als GeneralMidi-Sound in acht taktiger Dauerschleife schmackhaft gemacht, damit´s beim nächsten Klingeln auch so richtig schön weh tut. Und das alles fast umsonst - denn man braucht ja nur mal schnell ne SMS an die eingeblendete Nummer zu senden, während das Gejammer und Gewimmer der ästhetisch fragwürdigen Kuscheltierchen mit über hundert dezibel aus den TV-Lautsprechern brüllt. Und es sei erwähnt, dass dieser Medienterror derweil 24 Stunden täglich und in zehnminütigen Abständen ausgestrahlt wird. Dass diese"ichkaufmichcool-SMS" je nach Prepaid Card aber richtig Kohle kostet, und zeitgleich per Bestätigung Aboverträge mit Kindern und Jugendlichen UNTER 18 Jahren abgeschlossen werden, interessiert da nur peripher. Ein hoch auf die Vorzeigerunternehmen aus der Telekom-Branche - und nicht zuletzt auf die Musikindustrie.
Es ist machmal ne echt schwere Entscheidung, ob man angesichts solcher Tatsachen entweder resigniert auf sein Erbrochenes schauen, oder sich statt dessen lieber einer radikalen Untergrundbewegung anschliessen möchte. Eines ist sicher: ich kann nicht annähernd so viel essen, wie ich manchmal kotzen möchte.

Anyway - MTV machts nun also vor, und will den Jamba-Müll ab Oktober zwischen 16.00 und 24.00 Uhr vom Sender nehmen, da man sich, wie im Spiegel zu lesen war, der negativen Auswirkungen auf das Senderimage bewusst geworden sei.
Bleibt zu hoffen, dass die Musiksender nicht nur unnötig Sauerstoff verbrauchen bei der Verlautbarung solch eingreifender Maßnahmen, sondern tatsächlich dahinter gestiegen sind, dass der Titel "Music Tele Vision" eigentlich durch das seine Berechtigung findet, was der gemeine Betrachter dort vorzufinden glaubt: Die Welt der Musik!. Zuweilen fristet der Videoclip eines Acts jedoch eher das driste Dasein eines Werbespots für Zahnpasta, den man alle fünfzehn Minuten mal einfügt zwischen all den Ringtone-Abfällen. Hoffentlich behalten sie ihren Job nach dieser Pressemeldung, liebe Frau Mühlemann. Meine Stimme haben sie !

Samstag, August 20, 2005

Das Kalb und seine Metzger

Derzeit dürfte wohl neben dem Papstwahn abertausender, katholischer Jugendlicher noch immer die in Zahl kaum zu übertreffenden Wahlredenausrutscher des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber Topthema sein. Doch wen wunderts noch wirklich? Hat er sein Gesicht ausserhalb des katholischen Südens doch bereits bei der letzten Wahlstaffel vor drei Jahren verloren, nachdem er die damals hochgehandelte Kanzlerkandidätin aus dem Osten mal eben schön schmierig ins Abseits gelächelt hat. Und nun, da sie unumstösslich die Kandidatin der christlich-demokratischen Politjunkies ist, versucht er es offensichtlich auf die ganze miese Tour. Ob er seiner Schwesterpartei damit wirklich zum Sieg verhelfen wird, ist nicht nur fraglich, sondern stösst in eben diesen schwesterlichen Reihen derweil ausnahmslos auf Empörung. Vor allem jedoch scheint er einem ohnehin schon angeschlagenen Volk unmissverständlich klarmachen zu wollen, dass hier "nichts zusammenwächst, was zusammen gehört". Die Frage ist: kümmerts wirklich jemanden?

Ganz gleich, ob Bayerns Oberhäuptling nun einfach einen verbalakrobatischen Foupas gelandet hat, oder er (wie mir manchmal scheint) tatsächlich den ein oder anderen Unfug glaubt, den er da ablässt. Die Ärsche, die es zu lecken gibt, werden weniger und weniger. Dessen ist er sich ganz offensichtlich nicht wirklich bewusst. Und wer weiß, vielleicht steht er dann am Ende gar auf dem selbst entworfenen Schlachthof und schaut in die Augen seiner ebenso selbst gewählten und geifernden Metzger, die sehnsüchtig darauf warten, ihrem Handwerk nach zu gehen.

Anyway - während wir uns über solche Dinge den Kopf zerbrechen und hier und da auch das Maul verbrennen ( gut so! long live Rock´n Roll! ), bleibt es eine unumstössliche Tatsache, dass mindestens fünzig Prozent der hiesigen Wähler nicht einmal wissen, wer Stoiber überhaupt ist, und sicherlich ebenso viele Bundesbürger mit Wahlberechtigung für astronomische Einschaltquoten in der Jauchegrube der privatisierten TV-Landschaft sorgen. Und in eben diesen Kläranlangen des guten Geschmacks liegt der grösste Teil des Übels, eingebettet zwischen Courtshow, Superquiz und Reportagen, die keine sind.

Am besten wäre es, es würde überhaupt nicht gewählt, sondern bei Aldi, Lidl und Co. gäbs einfach ab kommenden Dienstag
ein bestimmtes Kontingent an Bundestag-Mitglied-Tickets. Dann könnte jeder, der rechtzeitig in der morgendlichen Schlange vor dem Eingang Position bezieht, solange mitregieren, bis wieder die nächsten Tickets verfügbar sind
und gewechselt wird. Der meisbietende Privatsender würde das ganze Spektakel natürlich live und exklusiv übertragen, und per 0190er Nummer darf man dann abstimmen, wer wann wie aus dem Haus fliegt. Na, das wär doch mal ein Spass!
Genau das Richtige für eine Spassgesellschaft wie die unsere.

Dienstag, August 16, 2005

Egal wer dein Vater ist ...


An Tagen wie diesen, da sich der Sommer nicht gerade von seiner besten Seite zeigt und man schon beim ersten, morgendlichen Blick aus dem Fenster nichts als ein Kopfschütteln aus der Seele drückt, denkt man ganz romantisch und ein wenig leidvoll an Klassiker wie Sonnenuntergänge, Meeresrauschen, laue Sommerabende und Gelassenheit.
Nun ja, letzteres dürfte auf meiner Wunschliste ganz oben stehen. Jedoch steht jeder Wunschliste auch immer eine Haben-Liste gegenüber. Da belegt diese Tugend dann eher den letzten Platz, direkt nach solchen Kleinigkeiten wie wirtschaftlicher Sanierung und ein wenig mehr Zufriedenheit. - Zufriedenheit; was für ein Wort ?! Im Grunde ein Begriff so dehnbar wie ein Bungeeseil. Es soll Menschen geben, die mit nichts zufrieden sind, und wieder andere die nichts brauchen, um zufrieden zu sein...

Ich weiss nicht wirklich, zu welcher Kategorie ich mich zählen sollte. Rückblickend auf die vergangenen Monate mag mir eine Nominierung für den Askese-Grammy sicher sein. Und doch glaube ich zuweilen, dass nichts in meinem Leben mehr Bedeutung hat als die Tatsache, nicht dort zu sein, wo ich dem Gefühl nach zu sein hätte.

Doch wie so oft im Leben, halten solcherlei Einsichten immer dann Einzug, wenn eigentlich schon der Ausmarsch gespielt wird und die Kapelle aus dem letzten Loch pfeift. Scheiss Timing ! Folglich kommt man nicht umhin, sich eingestehen zu müssen, dass man die "Everybodys Darling Schiene" nicht unendlich weiterfahren kann. Es führt dann unaufhaltbar ins Uferlose. Ein verlässlicher Partner und stetiger Begleiter in Sachen "ich wink nicht nur damit, sondern hau dir den Zaunpfahl direkt in die Kauleiste" ist das Leben selbst. So kommt man nicht umhin, neben kieferorthopädischen Terminplanungen, hier
und da auf die Bremse zu steigen, die Agenda zu korrigieren und ein Stück weit "gar nicht mehr so nett zu sein!"
Denn es gibt für alles im Leben ein Spielfeld, ein Timing und definitiv nicht unbegrenzte Versuche. Wer und was da dann wie und warum mit ner gelben Karte geahndet wird, auf der Ersatzbank platz nimmt oder gar mit Platzverweis zu rechnen hat, ist abhängig von Dingen wie Kondition, Eifer, Spielfreude oder Fairness. Und es gibt immer wieder Menschen im Leben, die das Spiel als solches einfach nicht mögen. Ok, die findet man sicher nicht in der Südkurve. Nein, die bevorzugen sicherlich die
Nordschleife des Rings. Macht es doch das Rennen um so viel länger und spannender. Dumm nur, dass die Nordschleife nicht
mehr zur offiziellen Rennstrecke gehört. Ausserdem führt ein solcher Umweg nicht wirklich in konkurrenzfähiger Zeit durchs
Ziel - wenn überhaupt.

Es gibt also immer wieder mal diesen einen Punkt im Leben, da man sich seiner selbst zu stellen hat, ob man nun will oder nicht. Jammern hilft da nur bedingt, denn nichts ist so sicher wie die unumstössliche Tatsache, dass der Weg geradeaus ins morgen führt, und selbst mit ner bekackten Bahncard und nem "Super-Weekend-Ticket" fährt der Zug vorwärts, niemals zurück. Also bleibt einem nichts anderes, als sich nen Espresso aus der Maschiene zu quetschen, für nen Augenblick inne zu halten, und sich darüber klar zu werden, dass jetzt nichts wirklich wichtig ist, nur du selbst. Denn nur, wenn du am Morgen aus dem Fenster blickst, und dir ein Lächeln entweicht, obgleich es draussen aussieht, als hätte man hier vergessen, das Sommerabo zu verlängern und auf diverse Mahnungen nicht reagiert - nur dann ist man auch in der Lage, so etwas wie ein Lächeln zu verschenken.

Also versucht man, es mit ein wenig resignativer Einsicht anzunehmen, geht vom Gas, hält inne und wirft die Angel ins
Wasser. Ruhe, Geduld.., Ruhe, .., Geduld, ... . Ungestört bleibt man nicht wirklich lange - hey, wir sprechen übers Leben, nicht über einen Nachmittagskaffee. Da jagen fromme Sprüche und schlaue Ratschläge die althergebrachten Weisheiten der Geradlinigkeit und Klugscheisserei. Na, und da heissts dann, das verstandene umzusetzten, und der Versuchung entgegen
zu brüllen: "Egal, wer dein Vater ist - solange ICH hier angle, läuft hier niemand übers Wasser!"
Was für ein Sommer ...