Dienstag, August 16, 2005

Egal wer dein Vater ist ...


An Tagen wie diesen, da sich der Sommer nicht gerade von seiner besten Seite zeigt und man schon beim ersten, morgendlichen Blick aus dem Fenster nichts als ein Kopfschütteln aus der Seele drückt, denkt man ganz romantisch und ein wenig leidvoll an Klassiker wie Sonnenuntergänge, Meeresrauschen, laue Sommerabende und Gelassenheit.
Nun ja, letzteres dürfte auf meiner Wunschliste ganz oben stehen. Jedoch steht jeder Wunschliste auch immer eine Haben-Liste gegenüber. Da belegt diese Tugend dann eher den letzten Platz, direkt nach solchen Kleinigkeiten wie wirtschaftlicher Sanierung und ein wenig mehr Zufriedenheit. - Zufriedenheit; was für ein Wort ?! Im Grunde ein Begriff so dehnbar wie ein Bungeeseil. Es soll Menschen geben, die mit nichts zufrieden sind, und wieder andere die nichts brauchen, um zufrieden zu sein...

Ich weiss nicht wirklich, zu welcher Kategorie ich mich zählen sollte. Rückblickend auf die vergangenen Monate mag mir eine Nominierung für den Askese-Grammy sicher sein. Und doch glaube ich zuweilen, dass nichts in meinem Leben mehr Bedeutung hat als die Tatsache, nicht dort zu sein, wo ich dem Gefühl nach zu sein hätte.

Doch wie so oft im Leben, halten solcherlei Einsichten immer dann Einzug, wenn eigentlich schon der Ausmarsch gespielt wird und die Kapelle aus dem letzten Loch pfeift. Scheiss Timing ! Folglich kommt man nicht umhin, sich eingestehen zu müssen, dass man die "Everybodys Darling Schiene" nicht unendlich weiterfahren kann. Es führt dann unaufhaltbar ins Uferlose. Ein verlässlicher Partner und stetiger Begleiter in Sachen "ich wink nicht nur damit, sondern hau dir den Zaunpfahl direkt in die Kauleiste" ist das Leben selbst. So kommt man nicht umhin, neben kieferorthopädischen Terminplanungen, hier
und da auf die Bremse zu steigen, die Agenda zu korrigieren und ein Stück weit "gar nicht mehr so nett zu sein!"
Denn es gibt für alles im Leben ein Spielfeld, ein Timing und definitiv nicht unbegrenzte Versuche. Wer und was da dann wie und warum mit ner gelben Karte geahndet wird, auf der Ersatzbank platz nimmt oder gar mit Platzverweis zu rechnen hat, ist abhängig von Dingen wie Kondition, Eifer, Spielfreude oder Fairness. Und es gibt immer wieder Menschen im Leben, die das Spiel als solches einfach nicht mögen. Ok, die findet man sicher nicht in der Südkurve. Nein, die bevorzugen sicherlich die
Nordschleife des Rings. Macht es doch das Rennen um so viel länger und spannender. Dumm nur, dass die Nordschleife nicht
mehr zur offiziellen Rennstrecke gehört. Ausserdem führt ein solcher Umweg nicht wirklich in konkurrenzfähiger Zeit durchs
Ziel - wenn überhaupt.

Es gibt also immer wieder mal diesen einen Punkt im Leben, da man sich seiner selbst zu stellen hat, ob man nun will oder nicht. Jammern hilft da nur bedingt, denn nichts ist so sicher wie die unumstössliche Tatsache, dass der Weg geradeaus ins morgen führt, und selbst mit ner bekackten Bahncard und nem "Super-Weekend-Ticket" fährt der Zug vorwärts, niemals zurück. Also bleibt einem nichts anderes, als sich nen Espresso aus der Maschiene zu quetschen, für nen Augenblick inne zu halten, und sich darüber klar zu werden, dass jetzt nichts wirklich wichtig ist, nur du selbst. Denn nur, wenn du am Morgen aus dem Fenster blickst, und dir ein Lächeln entweicht, obgleich es draussen aussieht, als hätte man hier vergessen, das Sommerabo zu verlängern und auf diverse Mahnungen nicht reagiert - nur dann ist man auch in der Lage, so etwas wie ein Lächeln zu verschenken.

Also versucht man, es mit ein wenig resignativer Einsicht anzunehmen, geht vom Gas, hält inne und wirft die Angel ins
Wasser. Ruhe, Geduld.., Ruhe, .., Geduld, ... . Ungestört bleibt man nicht wirklich lange - hey, wir sprechen übers Leben, nicht über einen Nachmittagskaffee. Da jagen fromme Sprüche und schlaue Ratschläge die althergebrachten Weisheiten der Geradlinigkeit und Klugscheisserei. Na, und da heissts dann, das verstandene umzusetzten, und der Versuchung entgegen
zu brüllen: "Egal, wer dein Vater ist - solange ICH hier angle, läuft hier niemand übers Wasser!"
Was für ein Sommer ...

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