Samstag, Juni 04, 2005

Alles was ich brauch

Als ich die Aufforderung las, nun mein Profil zu vervollständigen, widmete ich mich erst einmal den Standards, die man ganz unkompliziert per Mausklick abhaken konnte. Zwischen Sportaffinitäten und Lifestyle-Highlights klickte man sich scheinbar Stück für Stück ins vermeintliche Paradies. Coole Sache, wenn da nicht die Geschichte mit der Personality quer schießen würde. In jeder neuen Auflistung suchte ich wiederholt nach den passenden Attributen. "Gut Essen und Reden" stand zur Auswahl. Mir schoss durch den Kopf, dass genau das etwas war, was meinen Vater zur Weisglut brachte. Wenn wir zu fünft am Mittagstisch saßen, und mit vollem Mund unsere Schulerlebnisse des Vormittags zum Besten gaben. Nun, er zog es sodann vor, alleine zu essen. Also kein Haken für diese Rubrik - obgleich ich sowohl gutes Essen als auch ne ausdehnte Unterhaltung zu meinen Favoriten zählen würde.

Nachdem ich also einige Tassen Kaffee später durch den Märchenwald der "Likes" und "Dislikes" spaziert war, und hier und da mein obligates Kreuzchen gemacht hatte, um dem "Girl in the moon" ne klare Impression meines ach so strukturierten Lebens zu geben, ging es ans Eingemachte. "Mehr über mich" hieß die folgende Sparte. Wenngleich ich mir wohlweißlich den ein oder anderen Probanden vorab angesehen hatte, und immer wieder auf den Eintrag "Mir fällt nix ein" stieß, war an dieser Stelle nun absolute Aufmerksamkeit angebracht. Schlaue Zitate, witzig anmutende "fg´s" (was wohl soviel heißen soll wie "freches grinsen im Gesicht deines Gegenüber...), klare Ansagen, detailverliebte Suchaufträge bis hin zum „Kommafehler-Marathon“ - nichts, was es nicht gab. Hier konnte man nun wahrlich das Rad nicht neu erfinden, schon gar nicht, wenn man wie ich zwischen Umzugkartons und auslaufender DSL-Rate saß, und nicht mal wusste, warum man sich eigentlich hier eingetragen hatte, in ner Single Community.
Ich handelte die Sache ab, zügig und wenig kreativitätsbewusst, um sodann in den Weiten des "World Wide Wahnsinns" etwas zu finden, was es dort aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wirklich zu finden gab; - den Schlüssel zu meiner eigenen, inneren Haustür vermutlich.
Wenn man sich dann mal so einige Half-Zwares (die Tabaksorte sei aus Gründen der Werbung unerwähnt) und etwa vier Tassen Kaffee lang durch das Angebot klickt, wird man relativ schnell drauf kommen, dass man sich geradezu so verhält, als sei man im Sommerschlussverkauf. Fehlen eigentlich nur noch die "Jetzt bestellen" Buttons rechts neben den Profilfotos. Man ermüdet merklich, und irgendwann findet man sich wieder mit einem Adrenalinspiegel, der wohl dem eines Fünfjährigen gleicht, den man in der Vorweihnachtszeit durch die Regale des "Toys R´Us" zerrt. Früher drückten sich die lieben ihre Nasen platt am eiskalten Schaufensterglas, ob der ach so schön in Szene gesetzten Auslegeware. Mit achtunddreißig drückt man den Zinken dann in der Nacht gegen ´nen Computermonitor, obgleich man schon lange nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubt.

Und doch gibt es diese kleinen Highlights, die hier und da Einzug halten in unser manchmal ach so trübes „Wir-sind-alle-megabusy-Leben“. Ja, und die kommen dann in Form einer Spontanaufforderung zum althergebrachten: man telefoniert! Wie seltsam, tippte man doch Minuten vorher noch sein geschöntes und künstlich aufgepepptes Leben in die vor sich hinrödelnde Maschiene, ohne die wir scheinbar irgendwann nicht mal mehr alleine aufs Klo können...
Dann das "Hi, ich bin’s", so als kenne man sich schon ewig. Es brauchte eigentlich keine zwei Sätze, um nachhaltig zu verstehen, dass es Dinge im Leben gibt, die sich niemals ändern werden - egal wie schnell sich Daten verschicken lassen, oder ein fluxes "ich mail´s dir mal grad rüber" eine betriebswirtschaftliche Ersparnis im dreistelligen Bereich voraussagt.
Einiges funktioniert eben anders.

Sodann zeigt sich das Leben wieder von dieser niemals enden wollenden, weisen Seite. "Du hast alles, was du brauchst", ist die Maxime. Ich las diesen Satz in so mancher Abhandlung über Sinn und Unsinn, ... und doch kommt er mir in Zeiten wie diesen abhanden. Der Overflow vielleicht, .... die Monate des "ich denk´ zuviel und üb´ zu wenig", Dads überraschender Tod, die gesperrte Mastercard, die nicht enden wollende "ich-muss-zum Friseur-Kiste", ... ! Whatever ...
Ja, ich hab alles, was ich brauch - bis auf die Kohle fürs Ticket. "Aber auch das gelingt mir noch", sang Herbert, als er von Flugzeugen im Bauch berichtete. Damals gab´s allerdings noch keine Billigairlines....

Also freue ich mich lieber auf ein klingelndes Telefon, statt uferlose Bits und Bytes durchs Webnirvana zu schicken. Und dieses Telefon habe ich schon ne ganze Weile. Ich hab doch alles, was ich brauch, oder .....?!